Wie gehe ich als Berater:in damit um, wenn ich in einem Beratungsgespräch merke, dass mein Kunde oder jemand aus der Familie ein Thema mit Alkohol oder einer anderen Sucht hat?
Das Ansprechen eines möglichen Alkoholproblems (oder auch einer anderen Suchtthematik) in einer Beratungssituation ist sehr sensibel und erfordert viel Fingerspitzengefühl. Wichtig ist, respektvoll und wertschätzend zu sein, statt konfrontativ zu werden – benenne das Thema als Beobachtung und Einladung zur Reflexion statt eines Vorwurfes.
Mögliche Schritte in einem Gespräch:
- Wertschätzende, offene und freundliche Grundhaltung
Mach dir bewusst, dass dein Ziel nicht ist, jemanden zu „überführen“, sondern Hilfe zur Selbstreflexion zu bieten. Die Beziehungsebene ist entscheidend – nur wenn Vertrauen da ist, wird Offenheit entstehen. - Beginne mit einer offenen Einladung zur Selbsteinschätzung oder Reflexion und hole Dir das Okay dafür ab.
„Darf ich etwas Persönliches ansprechen?“
„Ich würde gerne mit Ihnen über etwas sprechen, das mir in letzter Zeit aufgefallen ist – und ich frage mich, wie Sie das selbst sehen?“
„Darf ich etwas ansprechen, das mir in unserer Zusammenarbeit aufgefallen ist und das möglicherweise eine Rolle spielt?“ - Beobachten statt bewerten: fasse in Worte, was Du konkret beobachtet hast.
„Mir ist aufgefallen, dass Sie in unserem letzten Gespräch erwähnt haben, abends etwas zu trinken, um abschalten zu können.“
„In unserem letzten Gespräch wirkten Sie etwas unkonzentriert und es roch nach Alkohol – darf ich Sie dazu etwas fragen?“ - Stelle Fragen zur Selbstreflexion, statt in die Konfrontation zu gehen.
„Wie erleben Sie selbst den Umgang mit Alkohol im Moment?“
„Haben Sie sich schon mal Gedanken darüber gemacht, ob der Konsum Einfluss auf Ihre Situation oder Ihren Alltag hat?“ - Unterstützung anbieten
Zeige auf, dass du da bist, um zu unterstützen – nicht zu urteilen.
„Ich frage mich, ob das ein Thema für Sie ist, bei dem Unterstützung gut wäre?
„Mir ist wichtig, dass Sie wissen: Ich spreche das nur an, weil ich den Eindruck habe, dass es für Sie wichtig sein könnte.“ - Transparenz über deine Rolle
Je nach Kontext (Dienstleistung, Fachberatung, Coaching, Familienberatung), kläre deine Rolle:
„Ich bin nicht da, um Diagnosen zu stellen oder diese Begleitung anzubieten, sondern um mit Ihnen gemeinsam zu schauen, was hilfreich wäre.“
Zusätzliche Tipps:
- Vermeide moralische Sprache wie „zuviel trinken“, „Sucht“, „Abhängigkeit“ – das ruft schnell Widerstand hervor.
- Gib deinem Gegenüber Raum – manchmal brauchen Menschen Zeit, das Thema für sich zuzulassen.
- Das Ansprechen von übermäßigem oder belastendem Alkoholkonsum ist oft sehr schambehaftet und wird als Thema in den Familien gemieden oder auch verschwiegen.
- Wenn man fragt, kann man nie etwas falsch machen. Es kann ein wichtiger Schritt sein, um „die Not zu wenden“.
- Achte auf nonverbale Signale und darauf, ob dein Gegenüber ausweicht oder offenbleibt.
Gut zu wissen:
- Alkoholismus ist eine Krankheit, für die es eine Behandlung gibt.
- Das erste Ziel einer Suchtberatung ist nicht zwangsweise die Abstinenz. Davor haben viele Angst. Es geht darum in kleinen Schritten einen Weg aus der Sucht zu erarbeiten.
- Das Ansprechen von übermäßigem oder belastendem Alkoholkonsum ist oft sehr schambehaftet und wird als Thema in den Familien gemieden oder auch verschwiegen.
- Die DGE hat mittlerweile ihre Empfehlungen zu einem moderaten Konsum geändert (siehe Hinweise unten).
Eine Auswahl von bundesweiten Anlaufstellen für Beratung:
- SVLFG: Telezentrum der SVLFG als unkomplizierter Zugang zu Beratung, 0561/785-10512, Mail: gleichgewicht@svlfg.de; Krisenhotline, Tel. 0561/78510101, 24/7 erreichbar, anonym; es werden keine versicherungsrechtl. Voraussetzungen abgefragt.
- Familienberatung: landwirtschaftliche-familienberatung
- Regionale Suchtberatungsstellen finden wie das Blaue Kreuz: Suchthilfeverzeichnis
- Sucht- und Drogenhotline rund um die Uhr: anonym für Betroffene und Angehörige:
01806/313031; Das Angebot ist kostenpflichtig: 0,20 €/Anruf.
Hilfreiche Links für Daten und Fakten zum Thema Alkohol:
- Neues DGE-Positionspapier: Positionspapier Alkohol
Es ersetzt den bisher durch die DGE veröffentlichten Referenzwert für den Konsum von Alkohol. - DHS: Empfehlungen-zum-Umgang-mit-Alkohol
Autorin: Maria Lotter, entra beratung agrar erschienen im berater berater 05/25
28.10.2025